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Generationenkonflikt: Spaltet die Klimadebatte Jung und Alt?

Die anhaltenden Schülerdemonstrationen für den Klimaschutz stehen in Kontrast zum vorherrschenden Bild der unpolitischen Jugend. Die neue Bewegung wirft den «Alten» vor, sich zu lange nicht um ihre Zukunft gekümmert zu haben. Die über 60jährigen gewinnen obendrein fast jede Abstimmung – nicht nur, wenn es ums Klima geht. Droht ein neuer Generationenkonflikt? Und was macht einen Generationenkonflikt überhaupt aus?

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Jonathan Progin, Zürcher Studierendenzeitung ZS

Die Jugend demonstriert unter dem Motto #FridaysforFuture für Klimaschutz. Die weltweite Bewegung, angestossen durch die Schwedin Greta Thunberg, hat auch in der Schweiz viele motiviert. Seit mehreren Monaten dauern die Kundgebungen an. Am bisherigen Höhepunkt der freitäglichen Demonstrationen waren über 60’000 Menschen auf den Strassen. Die Schülerinnen und Schüler fordern, dass die Schweiz den nationalen Klimanotstand ausruft. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 auf Netto-Null gesenkt werden. Viele der mehrheitlich jungen Aktivistinnen können ihre Meinung (noch) nicht an der Urne ausdrücken. Sie demonstrieren auf der Strasse und verschaffen ihrem Anliegen so Gehör. Über den Menschenmengen wippen Plakate mit der Aufschrift «Wessen Zukunft? Unsere Zukunft!» hin und her. Dazu schallen die Rufe «wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut». Die Aktivisten werfen den älteren Generationen vor, die Chance verpasst zu haben, rechtzeitig auf die Klimakrise zu reagieren. Sie sollen handeln. Und zwar jetzt.

Politisch uninteressierte Jugend?

Die aktuellen Geschehnisse stehen in einem krassen Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung, dass die Jungen unpolitisch sind und sich kaum am politischen System beteiligen. Dieses Bild hält sich äusserst hartnäckig. Dazu trägt auch die oft tiefe Stimmbeteiligung der jüngsten Stimmberechtigen bei. Zum Vergleich mit der einst politischen Jugend werden wahlweise die Jugendunruhen in den 80ern oder die 68er-Bewegung herangezogen. Im 2018 erschienenen Politikmonitor von easyvote wird klar: «Fragt man die Jugendlichen nach ihrem selbst beurteilten politischen Engagement, zeigt sich dieses in der Tendenz gesamthaft als rückläufig». Doch plötzlich ist die Jugend auf der Strasse. Die Sorge um die unpolitische Jugend rückt in den Hintergrund und damit drängt eine andere Debatte wieder in den Fokus: Die Rede ist vom Generationenkonflikt.

Was ist ein Generationenkonflikt?

Als Generationenkonflikt bezeichnet man einen Konflikt zwischen Angehörigen verschiedener Generationen, insbesondere zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Häufig ist er von Vorurteilen gegenüber der anderen Generation geprägt. Ein Generationenkonflikt entsteht durch unterschiedliche Wertehaltungen oder aus Interessensgegensätzen. Ein Beispiel für einen Generationenkonflikt ist die Altersversicherung. Die AHV ist seit 1948 in Kraft und soll einen finanziell gesicherten Ruhestand gewährleisten. Aufgrund des demografischen Wandels zahlen jedoch immer weniger Arbeitende ein, während die Zahl der Rentenempfänger zunimmt. Dabei entsteht ein Interessenkonflikt zwischen unterschiedlichen Generationen, zwischen Rentenempfängern und Einzahlenden. Generationenkonflikte müssen immer im historischen Kontext betrachtet werden. Sie sind abhängig von den Meinungen und Einstellungen in der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit.

Engagierte Klimagrosseltern

In Sachen Engagement fürs Klima eines gleich vorweg: Nicht nur Jugendliche, sondern auch die älteren Generationen engagieren sich für die Umwelt. Die Klimaseniorinnen sind seit 2016 aktiv und haben inzwischen über 1’000 Mitglieder. Und auch die «Klima-Grosseltern» erhalten rund um die Klimadebatte nun eine grössere Aufmerksamkeit. Es gibt sie also, die besorgten Seniorinnen und Senioren, die sich fürs Klima engagieren. Aber sie scheinen nicht in der Mehrheit zu sein: Gerade bei Abstimmungen in Umweltfragen werden die Jüngeren oft überstimmt, wie bei der Abschaffung der AKWs oder der Initiative für eine grüne Wirtschaft.

Provoziert die «Herrschaft der Alten» einen Generationenkonflikt?

Der Blick titelt jüngst «Eiszeit zwischen Jung und Alt – Klimadebatte entzweit Generationen». Darüber hinaus gebe es Potential für weitere Generationenkonflikte, denn «mehr Themen denn je entzweien heute die Generationen». Weitere Knackpunkte seien in der Mitbestimmung, bei den Renten und dem Wohnen zu finden. Die Zeitung fragt gar danach, ob es keine Möglichkeit zur Versöhnung gibt. Doch nicht nur der Blick macht sich Sorgen um einen Generationenkonflikt. Auch die NZZ spricht vom «Kampf der Generationen». Sie hat nachgerechnet und stellt fest: «die Alten verlieren derzeit fast keine Abstimmung. 31mal hat der Souverän in dieser Legislatur bisher abgestimmt, zu 30 Urnengängen liegen Nachbefragungen vor – und diese zeigen: Nur ein einziges Mal haben sich die über 60-Jährigen nicht durchgesetzt.»

Was bedeutet die Siegesserie der Alten? «Dass die Jungen von den Alten politisch fremdbestimmt werden, ist seit dem 18. Jahrhundert ein Dauerthema», erklärte François Höpflinger, Soziologe und Generationenforscher der Universität Zürich dem Blick. Ein Dauerthema, ja – aber die Situation spitzt sich zu. Denn die Jungen sind in der Unterzahl. Sie könnten in noch so grossen Massen an die Urnen strömen, sie bleiben in der Minderheit. Der demografische Wandel führte dazu, dass die Jungen heute noch viel deutlicher in der Unterzahl sind, als dies in den Generationen vor ihnen der Fall war. Stimmen, welche der Jugend die Kompetenz für die politische Mitbestimmung absprechen, verstärken das Gefühl dieser Ohnmacht. Aussagen wie jene von Nationalrat Roger Köppel – es sei «Gugus», wenn die Schülerinnen sich ums Klima sorgen und wenn Kinder der Politik die Richtung vorgeben, stimme etwas nicht mehr – festigen dieses Gefühl. Claude Longchamp plädiert dagegen im Online-Magazin Republik für ein Stimm- und Wahlrechtsalter 16 in der Schweiz und schreibt «Man muss sich vor Augen führen, dass die Schweiz so oder so zur Gerontokratie zu werden droht – zur Herrschaft der Alten.» Aber auch ein Stimmrechtsalter 16 würde die Mehrheitsverhältnisse nur minimal beeinflussen.

Ein Generationenkonflikt gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Wenn die Jungen nicht mehr angehört werden und sie sich zu wenig einbringen können, dann steigt das Risiko für einen Generationenkonflikt. Wenn sie auf der Strasse davon schreien, dass die Alten ihnen die Zukunft klauen, stellt sich die Frage, ob der Generationenkonflikt in der Klimadebatte bereits Tatsache ist. Doch die vergangenen Wahlen im Kanton Zürich brachten nun eine «grüne Welle» und werden als «Klimawahl» gedeutet. Grüne und Grünliberale haben gemeinsam über zehn Prozent hinzugewonnen. Viktor Giaccobo äusserte auf Twitter die Vermutung, dass der eine oder andere Stimmberechtige für die «jungen Klima-Streikenden» eine grüne Stimme abgegeben hat. Politologen deuten den Umschwung als Vorzeichen für die kommenden nationalen Wahlen. Ob die «grüne Welle» auch das nationale Parlament erreicht und die Forderungen der Jungen erfüllt werden, wird sich erst noch zeigen. Eines ist bereits jetzt klar: Die aktuellen Geschehnisse verdeutlichen einmal mehr die gesellschaftliche Bedeutung der Generationenbeziehungen für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Es braucht funktionierende Generationenbeziehungen in einer immer älter werdenden Gesellschaft.

Bild Klima-Grosseltern: Mara Ludwig, «und» das Generationentandem

3 Kommentare

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    Diese Seite und die Kommentare sind inzwischen zwei Jahre alt, zeigen aber gemeinsam sehr schön auf, dass es hier tatsächlich einen Konflikt gibt.

    Liebe Ältere, die Jüngeren haben Angst um ihre Zukunft, sind aber selbst keine (Klima)-Heiligen und müssen es auch nicht sein – den die Suche nach neuen Wegen betrifft uns alle und ist nicht leicht. Ich weiß, die Zukunft betrifft euch nicht mehr lange, und ihr habt zu eurer Zeit viel zur Gesellschaft beigetragen. Es ist hart, zu hören, dass vieles davon nicht (mehr) zukunftstauglich ist.

    Liebe Jüngere, wir brauchen die Älteren, ihre Lebenserfahrung, ihren Beistand und ihre Wähler-Stimmen. Viele haben in der Nachkriegszeit und auch in der DDR sehr nachhaltig gelebt und gewirtschaftet.

    Lasst uns schauen, wo wir zueinander kommen und die Erfahrungen der anderen Seite wertschätzen können!

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    Hallo und guten Tag

    Zu diesem Thema mal eine Frage, wie viele von den Demonstranten ob Schüler, Politiker oder andere Aktivisten die zuvor
    auf die Strasse gingen stehen nun wieder in den berühmten Osterstaus oder fliegen in der Welt herum.

    Wäre es nicht mal an der Zeit auf unnötige Dinge zu verzichten als schreiend Dinge zu fordern für die man selber keine Lösung hat, wer trägt zum Beispiel die Kosten wenn von heute auf morgen die Heizung in der Wohnung umgebaut werden muss, natürlich der Mieter oder glaubt einer dies geht ohne Kosten?
    Aber nun zurück zu Unnötigem. Braucht man Waren aus China nur weil es billiger ist, ständig das Mobiltelefon in der Hand, von Zalando und vergleichbaren Onlinehändler die Ware hin und her zu senden, auch die kommt mit dem Flieger, brauchen wir beleuchtete Skipisten, Stadion und sonstige Freizeitaktivitäten die nicht ohne Energie auskommen. Brauchen wir die Schiffsreisen, Städteflüge, jedes Wochenende irgendwo hin.
    Aber auch Schüler und Lehrer sind gefordert, wenn ich am Morgen bei der Kantonsschule vorbei komme und die Papa und Mamamobil vorfahren,
    Ihre Sprösslinge aussteigen sehe am Morgen Demo und dann wieder rein ins Auto, so kann es nicht gehen.

    Liebe Leute fängt mal zuerst bei Euch selber an mit dem verzichten als der älteren Generation dies und das vorzuwerfen und dann könnt ihr weiter fordern

    Gruss und mit der bitte es den Klimaaktivisten mit zu teilen.

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