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„Filme sind ein gutes Mittel, um die Vielfalt des Parcours des Lebens zu zeigen.“

Kultur & Künste

31. Oktober 2011

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Der Romand Olivier Taramarcaz* von Pro Senectute Schweiz setzt auf Generationenprojekte, die über den Tag hinausweisen.
Altersarbeit und Generationenprojekte haben in der Romandie eine längere Tradition als in der Deutschschweiz. Wie lässt sich das erklären?
Olivier Taramarcaz: Wir haben uns sicher von Frankreich inspirieren lassen, das den Generationenbeziehungen schon lange eine grosse Bedeutung beimisst. Es gibt viele Organisationen und Netzwerke, die sich diesem Thema widmen. Dazu haben wir von Anfang an sehr praxisorientiert gearbeitet und konkrete Projekte realisiert, die auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt sind. Wir wollten nie bloss punktuell arbeiten, sondern haben von Anfang an eine langfristige Vision von Solidarität entwickelt.
Der Prix Chronos, ein Literaturpreis für Jugendbücher zum Thema Generationenbeziehungen, die einerseits von Zehn- bis Zwölfjährigen, andererseits von Senioren gelesen und beurteilt werden, illustriert dies auf eindrückliche Art: 1996 wurde er in Frankreich ins Leben gerufen, 1997 von der Westschweizer Pro Senectute übernommen, und seit 2005 ist er nun auch in der Deutschschweiz eingeführt.
Taramarcaz: Der Prix Chronos, an dem sich jährlich rund 3000 Kinder und Senioren beteiligen, ist ein wunderschönes Projekt, das die Bereiche Kultur und Generationenbeziehungen miteinander verbindet. Die Lektüre der Romane ermöglicht sowohl den Jungen wie auch den Alten, einen neuen, ungewohnten und überraschenden Blick auf das Leben und die verschiedenen Lebensphasen zu werfen. Das schafft Verständnis füreinander.
Sie selber organisieren seit 2006 das Filmfestival ‚VisAges’, an dem Sie während einer Woche rund vierzig Filme zeigen, die sich ebenfalls dem Thema der Generationenbeziehungen annehmen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Taramarcaz: Mich störte je länger je mehr, dass das Bild, das die Medien von den alten Menschen entwerfen, ein eindimensionales und statisches ist. Als seien die Alten alle gleich, als fehle es ihnen an Vielfalt und unterschiedlichen Geschichten. Nach vielen Jahren Altersarbeit war mir aber klar, dass die Realität der Senioren und Seniorinnen viel bunter und vielschichtiger ist. Da ich ein Filmfreak bin, wusste ich, dass es viele Dokumentar- und Spielfilme gibt, die ein wesentlich differenzierteres Bild vom langen Parcours des Lebens zeichnen. Damit war die Idee zu ‚VisAges’ geboren.
Wie finden Sie die Filme, die Ihren Vorstellungen entsprechen?
Taramarcaz: Ich visioniere zwischen 300 und 500 Filme jährlich, besuche in Paris regelmässig das Filmzentrum, dazu reise ich an verschiedene andere Filmfestivals. In den vier Jahren, in denen es ‚VisAges’ nun gibt, sind 40 Regisseure an unser Festival nach Martigny gekommen. Auch von ihnen erfahre ich jeweils, wenn sie auf einen Film zum Thema Generationen stossen.
Wieviele Leute besuchen ‚VisAges’?
Taramarcaz: Rund 500. Das sind zwar nicht so viele. Dafür gibt es aber immer wieder angeregte Debatten mit Regisseuren oder Schauspielerinnen, die teilweise anwesend sind. Dazu ist es schön, wenn Vierzig- bis Sechzigjährige gemeinsam mit ihren alten Eltern kommen und sich angeregt durch unsere Filme nachher intensiv austauschen.
Erreichen Sie auch die ganz Jungen?
Taramarcaz: Da ich auch an verschiedenen Fachhochschulen in Genf und Lausanne Kurse zu Alter und Generationen gebe, kommen viele meiner Studenten und Studentinnen, also Menschen zwischen 20 und 30.
*Olivier Taramarcaz, 50, studierte Erziehungswissenschaften und Erwachsenenbildung. Er ist Koordinator Bildung und Kultur bei Pro Senectute Schweiz in Vevey, wo er seit zwölf Jahren arbeitet.

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