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Generationen trainieren in Frauenfeld

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In Frauenfeld (TG) kann ab sofort draussen trainiert werden. Dafür stehen an drei Standorten rund um das Stadtzentrum Geräte bereit. Sie sind ausgelegt für alle Alters- und auch alle „Gewichtsklassen“. Das befand der Stadtammann Carlo Parolari augenzwinkernd selbstkritisch bei der Eröffnung am 24. August 2012. Im Lindenpark, im Pflegezentrum Stadtgarten sowie am Alterszentrum Park stehen vier bis fünf „Generationengeräte“ zur spielerischen und auch gesundheitsfördernden Nutzung bereit. Die Orte sind miteinander durch einen ausgeschilderten Weg verbunden. Er führt abseits der Hauptstrassen und kann ebenso als Strecke zum joggen, walken oder radeln genutzt werden. Ein Vita-Parcours quer durch die Stadt.
Training unter Anleitung

Für die Nutzung des Bewegungsparks wurde ein „Belebungsplan“ erarbeitet und personell abgesichert. Denn: Nur die Geräte in den Raum stellen reicht nicht. Das haben ähnliche Projekte leidvoll erfahren. Eine Studie über Parks in Österreich zeigt, dass Senioren nur 7 % der Besucher ausmachen und von diesen sind nur ein Viertel bewegungsaktiv. Deshalb steht in Frauenfeld an drei Wochentagen geschultes Personal bereit. Die TrainerInnen erklären Übungen und geben Hilfestellung. Der Verein 55plus (http://www.55plus.ch) hat die Verantwortung und bieten auch Kurse an. An der Konzeption und auch bei der Eröffnung arbeitete die Firma Vitaltraining im Freien mit. Die drei Frauen sind ausgewiesene Fachpersonen in verschiedenen Sportarten und im Erwachsenensport.

Jetzt will die Alte fahren!    (Kindergartenkind in einem Bewegungspark)

Der Bewegungspark soll „Spass und Freude für alle Generationen“ bieten. Die Geräte sind jedoch mehrheitlich für Erwachsene konzipiert. Ebenso wie die Trainer allesamt Senioren sind und nicht für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen ausgebildet. Ein Training für altersgemischte Gruppen „ist eher schwierig umzusetzen“ erfuhr ich vor Ort. Zur generationenübergreifenden Nutzung von Bewegungsparks liegen unterschiedliche Konzepte und Empfehlungen vor. So verzichtete die deutsche  Stadt Lengerich in ihrem Generationenpark Gempt auf Kinderspielplätze, sondern sah ausschliesslich generationenübergreifend gestaltete Bereiche vor. Das Gegenteil empfiehlt ein Leitfaden des Hessischen Sozialministeriums (2012): „Es ist sogar dringend davon abzuraten, einen Bewegungsparcours, der für Erwachsene und besonders für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger vorgesehen ist, in Spielbereiche für Kinder zu integrieren oder in ihrer Nähe einzurichten. Die spezifischen Bedürfnisse der Älteren kommen dann praktisch immer zu kurz.“
Dennoch stellt man „Bewegungsparcours für Familien“ vor, die Trainingsgeräte mit Spielgeräten kombinieren. „Ältere würden sich in diesen Anlagen jedoch weniger wohlfühlen.“ Familien ja – Ältere nein? Gehören die Grosseltern jetzt nicht mehr zur Familie?

Die Gemeinde Kriens (LU) geht den dritten möglichen Weg – der auch in Frauenfeld beschritten wurde: Auf dem Sonnenberg wurde beim Kinderspielplatz ein Bewegungsparcours eröffnet. Während Eltern und Grosseltern ihre Kinder und Grosskinder beaufsichtigen, sollen sie sich auch selber betätigen, beschreibt Bruno Peter in der Neuen Luzerner Zeitung. Er ist Verwaltungsratspräsident der Sonnenberg-Bahn. Die gesteigerte Attraktivität des Areals ist sicherlich in seinem Interesse. Aber entspricht sein Wunsch auch der Realität in den Bedürfnissen und der Nutzung? Lassen sich Beaufsichtigungspflicht und eigenes Training verbinden, wenn Spielplatz und Trainingsgerät „in Sichtweite“ sind?

Vorbilder und Helfer gesucht

„Menschen über 60 Jahre in Wiener Parks verfügen über keine Rollenmodelle für Bewegung im Park. Sie vermeiden generationenübergreifende Nutzung, haben keine Erfahrung damit“ (gemma raus – Studie der Universität Wien). Mit eigenen Worten: Anders als in asiatischen Ländern fehlt in Europa die Kultur, dass Ältere auf den Strassen Sport treiben (Federball in Vietnam) oder sich in Parks bewegen (Tai-Chi in China). Hiesige Grosseltern kennen den Sportplatz und die Turnhalle. Wie schnell sich diese Vorstellung über die eigenen Handlungsspielräume erweitern lässt, ist schwer zu sagen. Die Medien könnten hier Vorbilder präsentieren: Bekannte Gesichter und Namen, die unbekümmert solche offenen Plätze nutzen. Dabei müssen auch die Probleme und zugehörige Lösungsansätze dargestellt werden. Als Hinderungsgründe für eine gemeinsame Nutzung werden genannt:

  • Die Geräte werden häufig von Kindern und Jugendlichen (K&J) in Beschlag genommen und Ältere fordern nicht ihr Recht auf Teilhabe ein.
  • Das Selbstverständnis mit dem K&J jede Art von Gerät ausprobieren und nutzen, fehlt den Alten.
  • Es dominiert vielmehr die Angst, sich vor den Jüngeren lächerlich zu machen, wenn man nicht so geschickt und flink wie die Jungen ist. Das ist insbesondere dann so, wenn K&J in der Nähe sind oder gar zuschauen.

Es braucht also ermutigende und unterstützenden Moderation von geschulten Fachpersonen. Diese sollten auch Auskunft geben können, ob z.B. jemand mit körperlichen Defiziten hier trainieren kann. Sie sollten Sozialkompetenz aufweisen und ein gleichberechtigtes Miteinander von Jung und Alt arrangieren können.

Ebenso wichtig sind Bewegungsgeräte, die für alle Körpergrössen und Leistungsvoraussetzungen zu nutzen sind. Das konnte ich im Lindenpark in Frauenfeld nur bedingt feststellen. Einige Geräte sind für Kinder zu gross und aufgrund des geringen Eigengewichtes kaum zu bewegen. An dieser Stelle ist eine gemeinsame Nutzung von Jung und Alt die Lösung – siehe Foto.

Hier sind die Hersteller gefragt, entsprechende Geräte und Anleitungen bereitzustellen. In Frauenfeld hat 4Fcircle den Park ausgestattet. In seinem Prospekt werden die Stationen beschrieben als: „Unabhängig vom Alter, vom sportlichen Leistungsstand, unabhängig von der Körpergrösse. Die Nutzergruppe reicht von 4 bis 99. Kindergartenalter bis ins hohe Seniorenalter.“ Wie das im Bewegungspark Frauenfeld umgesetzt wurde, könnte der Hersteller gerne mit einem Kommentar in diesem Blog darstellen.

Die Diskussion ist eröffnet

Das Thema ist schwierig, die Bedingungen an allen Orten verschieden und jede Anlage inklusive der Betreuung muss bezahlt werden. Wir stellen dennoch in offener Runde die Frage: Unter welchen Voraussetzungen kann ein intergeneratives Engagement in einem solchen Park stattfinden? Wie können Grosseltern als Betreuungsperson mit ihren Enkeln und anderen Kindern sich gemeinsam oder nebeneinander bewegen?

Wir wünschen dem Bewegungspark Frauenfeld viel Publikum aus allen Altersbereichen und freuen uns auf Rückmeldungen und Berichte zur generationenübergreifenden Nutzung von Bewegungsparks.

http://www.bewegungspark-frauenfeld.ch/

Flyer: http://www.frauenfeld.ch/documents/Bewegungspark_Flyer.pdf

Ein Blogbeitrag von Michael Hausammann

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